... doch die meisten nennen mich Mr. Son. Aufgewachsen bin ich bei meinem
Onkel Ba in Saigon. Chu-Ba, also Onkel Ba, hatte ein kleines Restaurant, in dessen Küche ich zum
ersten Mal in die Welt der kulinarischen Genüsse eintauchen durfte. Dort sah ich Nudelsuppen in
riesigen Kesseln brodeln, auf Bestellung rasch in Schälchen gegossen, mit gehacktem Fleisch und
Gemüse vermengt und mit Kräutern verfeinert aus der Küche getragen.
Ich hörte das Zischen von frischem Fleisch in großen, heißen Woks und nahm die Aromen verschiedener Zutaten wahr, die an
mir vorbei zum offenen Fenster hinauszogen. Ich sah, wie in Windeseile Reis- und Salatblätter
befüllt und zu Frühlingsrollen geformt wurden, um anschließend fast lautlos in siedendes Fett getaucht
zu werden. Ich beobachtete das hektische Treiben und lauschte dem Gemurmel der Küchenarbeiter,
wie sie in ihre gewohnten Handgriffe versunken eine Welt des Genießens erschufen.
Bevor er sich seinen Traum vom eigenen Restaurant erfüllte, war Onkel Ba als junger
Wanderarbeiter durch viele Länder Asiens gereist – oft für kaum mehr als ein Dach über dem Kopf
und eine Schale Reis.
Seine wahre Leidenschaft galt jedoch der Kochkunst und geleitet hat ihn nur
eins: sein guter Geschmack. Ländergrenzen waren ihm egal. Ein sattes Curry mit frischen Kräutern
aus einer Thai-Garküche konnte ihn genau so begeistern wie die Gewürzpalette in indischen
Töpfen. Fasziniert hat ihn vor allem die einzigartige Kombination der Küche Französisch-Indochinas.
Von den Kolonialherren mitgebrachte fremde Gemüsesorten wusste Chu-Ba ebenso gut
zuzubereiten wie ein Bánh mì, der Franzosen liebstes Baguette, das in Vietnam auf unnachahmliche
Weise belegt zum beliebten Magenfüller an jeder Straßenecke wurde.
Onkel Ba suchte stets das
Besondere im Einfachen, kochte nur das, was ihm schmeckte und bewahrte ein Familienrezept wie
ein Heiligtum.Sein Leibgericht war und blieb die Nudelsuppe seiner Tante, dessen Rezept er nur
mir verraten hat. All seine Rezepte habe ich stets im Herzen getragen, seine Philosophie hat mich
inspiriert. Heute serviere ich das Beste aus Chu-Bas Küche in meiner eigenen Brasserie.
Lassen Sie
es sich schmecken.